Dienstbahn auf der BLS Nordrampe

Strecke: Frutigen – Kandersteg

Die kleine Borsig Lok auf der Dienstbahn Nord.                                        Foto  Archiv BLS

Hier liegt die Strecke

Die Strecke liegt oberhalb Frutigen im Kandertal.

Geschichte

Im Gegensatz zur Südrampe war Kandersteg mit Frutigen bereits durch eine schmale Poststrasse verbunden. Erstes Material zum Bau des Lötschberg-Sondierstollens konnte daher mit Pferdefuhrwerken hochgebracht werden. Diese Arbeiten begannen bereits im Oktober 1906. Allerdings brachte der sogenannte Bühlstutz unterhalb Kandersteg die Fuhrwerke an ihre Grenzen. Der Bau einer Dienstbahn zwischen der Endstation der Spiez – Frutigen Bahn und dem künftigen Nordportal des Lötschbergtunnels hatte daher erste Priorität.
Da die Geologie völlig anders war als auf der Südseite konnte das Dienstbahntrassee vollständig unabhängig vom Hauptbahntrassee erstellt werden. Dadurch kam es zu keinen Behinderungen zwischen Dienstbahn und Bahnbau. Im Winter 1906/07 wurde für die Dienstbahn bereits die Brücke über die Engstligen (beim Bahnhof Frutigen) sowie der kurze Fürtentunnel erstellt. Mit dem eigentlichen Bahnbau wurde am 15.03.1907 begonnen und bereits am 14.08.1907 erreichte die erste Lok Kandersteg. Gegen 300 Arbeiter (meist Italiener) erbrachten diese beinahe unvorstellbare Leistung.
Grossartige Bauwerke waren die beiden hölzernen Gerüstbrücken Schlossweide (147 Meter) und Aegerten (126 Meter) mit Radien von 50 Meter und Neigungen von 60 0/00.
Zwei Kreuzungsstationen, Fürten und Schlossweide ermöglichten einen intensiven Fahrplan. An verschiedenen Orten zweigten kurze Stichstrecken Richtung Hauptbahntrassee ab, um Material zu den anschliessenden Seilbahnen zu bringen.
Während das Dienstbahntrassee auf der Südseite fast ausschliesslich im Fels erstellt wurde, war es auf der Nordseite Wiesland und Wald. Das erklärt auch wieso auf dem ersten Streckenteil bis Kandergrund vom Trasseeverlauf keine gesicherten Ueberreste zu sehen sind. Sicher hat auch die Bautätigkeit zwischen Frutigen und Kandergrund das Seinige dazu beigetragen.
Eine Besonderheit waren auch die hölzernen Lehnenviadukte anstelle von Hanganschnitten mit umfangreichen Stützmauern.
Entsprechend dem Baufortschritt am Hauptbahntrassee wurde auf diesem zusätzlich eine Baubahn erstellt.
Am 19. Juni 1913 wurde die Lötscbergstrecke eingeweiht und am 15. Juli begann der fahrplanmässige, elektrische Bahnbetrieb.
Um den Landwirten das für die Dienstbahn gepachtete Land möglichst bald wieder zurück zu geben, wurde die Dienstbahnstrecke nach der Vollendung der Hauptbahn sofort abgebrochen.

Streckenführung

Der Ausgangspunkt der Dienstbahn war beim ehemaligen Endbahnhof der Spiez – Frutigen Bahn, 870 m.ü.M. linkerhand des Engstligenbaches. (Der heutige Bahnhof Frutigen liegt wenig entfernt, rechtsseitig vom Engstligenbach),
Umladegleise, Gleise zu den Lagerschuppen, Lokremise, Werkstätten, Kalk- und Sprengstoffmagazine sowie Abstellgleise befanden sich zwischen den Stationsgleisen und dem Engstligenbach.
Unmittelbar nach dem Verlassen der Ausgangsstation wurde auf einer 34 m langen Holzbrücke der Engstligenbach überquert. In südöstlicher Richtung führte bei km 1,0 eine 30 Meter Brücke über die Kander und das genau unter dem vierten Bogen des Kanderviadukts der Normalspur. Ab diesem Punkt begann die Dienstbahn anzusteigen mit Neigungen zwischen 30 und 60 0/00. Um das Aufschütten eines Dammes zu ersparen wurde eine 100 Meter lange hölzerne Gerüstbrücke erstellt. (Diese Brückenbauart war im Styl der amerikanischen Waldbahnen).
Unter einfachen Geländeverhältnissen entlang der alten Strasse wurde bei km 5,8 die Kreuzungsstation Fürten, 882 m.ü.M. erreicht. Am rechten Talhang weiter ansteigend, zum Teil durch Waldgebiet, über eine hölzerne Lehnenbrücke gelangte man bei km. 6,8 zum 26 m langen Fürtentunnel. Bei km 7,2 wurde die Poststrasse und der Stegenbach überquert. Ohne grosse Steigung führte die Strecke nun über den Talboden von Mitholz zur zweiten Kreuzungsstation Schlossweide, km 8,7 und 1018 m.ü.M. (Diese Station lag im Gebiet des neuen Mitholz Strassentunnels). Wenig später begann der interessanteste Teil der Dienstbahn mit den künstlichen Längenentwicklungen zur Ueberwindung des Bühlstutz. Auf eine Luftlinienstrecke von 970 Meter musste eine Höhendifferenz von 118 m überwunden werden.
Die erste Schleife mit der 147 m langen und bis zu 15,5 m hohen, hölzernen Gerüstbrücke in der Schlossweide, überquerte den Talgrund und die Poststrasse. Am rechten Talgrund bei km 9,5 zweigte ein Gleis zur Bedienung der Hauptbahnbaustelle ab.
Dem Talhang folgend überquerte die Dienstbahn auf einer Holzbrücke die unterste Strassenkehre am Bühlstutz und anschliessend mit zwei Brückenfeldern die Kander. Nun wieder auf der linken Talseite wurde der hölzerne, im Kreisbogen von ca. 300 Grad verlaufende, 217 Meter lange und bis zu 20 Meter hohe Aegerten Viadukt überquert. Anschliessend führte das gewundene Trassee mit mehreren Lehnenbauten durch Waldgebiet und erreichte direkt am Lauf der Kander die Ebene von Kandersteg.
Der folgende Streckenteil bis zur Tunnelbaustelle war wenig spektakulär und folgte ohne grössere Steigung der zu erstellenden Hauptbahn. Einige hundert Meter vor dem Streckenende wurde abermals die Kander überquert.
Beim Installationsplatz Lötschbergtunnel Nord gab es umfangreiche Bahnanlagen der Dienstbahn und Verbindungen zur Baubahn der BLS Nordrampenstrecke sowie der Tunnelbaubahn.

Streckenskizze                                                                                                            swisstopo

Im untern Bildteil die alte Station der Spiez – Frutigen Bahn. Oben die Dienstbahnanlagen.

Die künstliche Linienentwicklung zur Ueberwindung des Bühlstutzes.                                swisstopo

Was blieb erhalten? Stand 2017

Da die Strecke, wie schon erwähnt, hauptsächlich durch Wiesland und Wald führte, ist von weiten Streckenteilen heute nichts mehr sichtbar (dies im Gegensatz zur Südrampenstrecke welche mehrheitlich im Fels lag).
Ab Kandergrund findet man einzelne Trasseeteile, Brückenwiderlager, Dämme und den zugemauerten Fürtentunnel. Der längste, erhaltene Abschnitt liegt zwischen dem untersten Bühlstutz Strassenkehr und der Ebene von Kandersteg. Im ersten Teil sind es Trasseespuren, im zweiten Teil liegt ein Waldweg auf dem ehemaligen Dienstbahntrassee. Der oberste Trasseeteil vor Kandersteg wurde bei einem Hochwasser der Kander weggerissen.
Alle, hauptsächlich in Holz erstellten Brücken, wurden nach der Einstellung der Dienstbahn abgebrochen.
Der 26 Meter lange Fürtentunnel blieb bis zum Ausbau der BLS auf Doppelspur unverändert. Da der Tunnel der BLS unmittelbar neben demjenigen der Dienstbahn liegt (der Scheitel des Dienstbahntunnels liegt auf der Höhe der Sohle des BLS Tunnels, allerdings um Tunnelbreite seitwärts verschoben) wurde der Dienstbahntunnel beidseitig mit einer Betonwand stabilisiert.
Auf der Talebene von Mitholz ist durch mehrfache Ueberschwemmungen vom Trassee nichts mehr erhalten. Dasselbe gilt für das Gebiet Schlossweide mit der riesigen Materialdeponie vom Zwischenangriff Mitholz des Lötschberg-Basistunnel. Von den ehemaligen Holzbrücken sind zum Teil noch die Brückenwiderlager erhalten.

Allgemeine Daten

Betriebsaufnahme der Dienstbahn:
Frutigen  –  Kandersteg                                14.08.1907
Betriebseinstellung der Dienstbahn                                April 1913
Streckenabbruch                     sofort nach der Einstellung
Streckenlänge                                 14,5  km
Spurweite                                  750  mm
Tiefster Punkt der Strecke  (Frutigen)                                  780  m.ü.M.
Höchster Punkt der Strecke  (Kandersteg)                                1196  m.ü.M.
Kleinster Kurvenradius                                   50  m
Grösste Neigung                                   60  0/00
Höchstgeschwindigkeit                                   15  km/h
Betriebsart                                     Dampf
Kupplungsystem                                 ZP / Lasche
Ausweichstellen                                        2
Schienen                                20 – 24  kg/m
Anzahl Weichen ca.                                       40
Anzahl Tunnel                                        1
Länge des Tunnels                                      26  m
Grössere Brücken (hauptsächlich Holz)                                      10
Dauer der Bergfahrt ca.                                 60 Minuten

Rollmaterial

Dampflok G 4/4 (Maffey) 250 PS, 25 t) 4 Stück
Dampflok G 2/2 (Borsig) 6 Stück
Der Bestand des Wagenmaterials auf der Nordseite ist nicht bekannt.

Bilder aus der Betriebszeit

Die Buchstaben vor dem Bildtext A – F dienen der Standortbestimmung auf der Karte.

Fotos nach der Betiebseinstellung (Spurensuche 2017)

Strecke Kandergrund Mitholz

Die Buchstaben vor dem Bildtext A – F dienen der Standortbesimmung auf der Karte.

 

Strecke Schlossweide- Kandersteg

 

 

Literatur

Lötschbergbahn im Bau, Eisenbahn Verlag
50 Jahre Lötschbergbahn, F. Volmar
Das grosse Buch der Lötschbergbahn, viafer Verlag
Schweizerische Bauzeitung, Band 49/50 (1907)