Werkbahn der Eidgenössischen Munitionsfabrik Thun (EMFT)

Lok Tm 4 im Auwald Uttigen.    1991                                                             Foto  W. Ritschard

Hier liegt die Strecke

Die EMFT liegt auf der Nordseite von Thun an der Aare.

Vorwort

Beinahe jeder Thuner hat die Labibahn gekannt. Auch die Zugpassagiere welche von Bern ins Oberland fuhren haben jeweils kurz vor der Einfahrt in den Thuner Bahnhof links oder rechts vom SBB Trassee die kleine Bahn gesehen.
Umso erstaunlicher ist es dass an offizieller Stelle die 1996 eingestellte Werkbahn total vergessen wurde. Beigetragen hat sicher auch die Uebernahme der EMFT durch die Gruppe der RUAG, heute RUAG Ammotec AG. Ausser einem Archivkarton mit der Aufschrift «Werkbahn», der aber leider leer war, konnte nichts mehr gefunden werden. Aus diesem Grunde basieren etliche Daten auf mündlichen Angaben eines Werkbahnführers sowie meinen persönlichen Recherchen. Sollten sich Daten als falsch erweisen wäre ich über eine Mitteilung sehr dankbar. Auch fehlende Daten nehme ich gerne entgegen.

Geschichte

Die Fabrikation von Artilleriegeschossen wurde in Thun 1863 aufgenommen. Im Laufe der Jahrzehnte weitete sich die Produktion mit der Herstellung von Kleinkaliber-Munition stark aus und entlang der Uttigenstrasse in Thun wurden in einer grossen Zahl relativ kleiner Gebäude Munitions-Komponenten hergestellt. (Die Produktion von Artilleriemunition wurde nach Altdorf verlegt). Um den Transport zwischen Metalllager, Hülsenfabrikation, Zünderfabrikation und Pulvertrocknerei zu rationalisieren wurde an der Allmendstrasse (westlich der SBB Linie) und entlang der Uttigenstrasse (östlich der SBB Linie) 1917 1) eine schmalspurige Werkbahn erstellt.

Mehrere Magazine wurden im Chandergrienwald aufgestellt und mit der Werkbahn erschlossen. 1924 1) wurden im Auwald zwischen Uttigen und der Aare die ersten Magazine gebaut und an die verlängerte Werkbahnstrecke angeschlossen. Bis 1981 wurden an die 15 Magazingebäude erstellt (unter anderem auch Pulvermagazine) sowie eine grosse Lager- und Speditionshalle mit SBB Anschluss. Ueber diese Halle wurde die fertige Munition in Bahnwagen verfrachtet und ausgeliefert. In der Gegenrichtung wurde das Rohmaterial transportiert. Die alten Magazine im Chandergrienwald wurden um 1960 abgerissen. Ein Teil der Gleisanlage ist im Waldboden noch heute zu finden.
Die Länge dieser «Ueberlandstrecke» betrug ca. 3 km. Die Uttigerstrecke wurde normalerweise täglich bedient, dabei waren Züge mit bis zu 20 Wagen und Zuggewichte bis 60 t keine Seltenheit.

1988 wurde für die Munitionsfabrik ein zentraler Neubau eröffnet und anschliessend die alten Fabrikationsgebäude an der Uttigenstrasse verkauft. Damit wurde der grösste Teil der internen Strecke nicht mehr benötigt. Ab ca. 1990 wurde dann der Transport auch auf der Uttigerstrecke nach und nach auf die Strasse verlegt. Die Werkbahnzüge verkehrten immer seltener und 1996 war dann endgültig Schluss für die Labibahn.

Der Name Labibahn wurde übrigens abgeleitet aus dem ursprünglichen Begriff «Feuerwerkslaborien», heute Munitionsfabrik genannt.

1) Diese Daten sind nicht gesichert!

Streckenführung

Die Strecke begann auf der Höhe der Regiestrasse neben der Allmendstrasse und gegenüber dem Kasernenareal. Nach ca. 300 m tauchte das Gleis in die kleine Unterführung unter der SBB Strecke (80 0/00 Neigung) und verlief anschliessend in der Uttigenstrasse nordwärts. In diesem Abschnitt lagen die meisten Fabrikationsstätten der Munitionsfabrik. Das Gleis lag hier links- oder rechtsseitig neben der Strasse, auf einem Abschnitt sogar beidseitig.
Bei der RUAG Panzerbrücke welche Aare und SBB Strecke überquert, trennte sich die interne Strecke von der Uttigerstrecke. Die interne Strecke führte an dem kleinen Depot mit zwei Gleisen vorbei und unterquerte in einer eigenen Unterführung erneut die SBB Strecke. Anschliessend verlief das Gleis nach Südwesten gegen die Allmendstrasse und bediente weitere Werkstätten und Lagerhallen.

Der Uttiger Ast verlief noch ca. 300 m parallel zur SBB Strecke und bog dann ostwärts zur Aare ab. Auf dem Aaredamm lag das Gleis zuerst Seite Aare, später dann auf der innern Seite neben dem Fussweg. Nach ca. 2 km Strecke auf dem Damm wurde der Auwald bei Uttigen erreicht und das Gleis bog westwärts ab. Nach ungefähr 100 m verzweigte sich die Strecke mitten im Wald in die drei Aeste welche zu den Magazinen führte. Am rechten Ast lagen vier Magazine am mittleren vier und am linken Ast drei Magazine und am Streckenende die grosse Umladehalle mit dem SBB Anschlussgleis. Einige weitere Magazine waren ohne Gleisanschluss.

Streckenskizze                                                             Google Earth

Streckenverlauf und Fabrikationsgebäude im Bereich Uttigenstrasse.

Streckenverlauf und Gebäude im Auwald Uttigen.

Was blieb erhalten? Stand 2011

Im heutigen RUAG Gelände (kein Zutritt!) steht noch das kleine Depotgebäude (genannt Garage) mit den beiden Gleisen. Auf der internen Strecke liegen noch recht viele Gleisreste in und neben der Uttigenstrasse. Von der Uttigerstrecke blieb die grosse S-Kurve zwischen RUAG Gelände und Aaredamm erhalten. Auf dem Aaredamm selbst gibt es mit Ausnahme eines etwa 3 m langen Gleisstückes beim Aaresteg nichts mehr zu sehen. Im Chandergrien ist noch ein längeres Gleisstück mit Weiche zu sehen. Nach Auskunft eines ehemaligen Werkbahnführers wären im Waldboden noch weitere Gleise liegen geblieben. Im Auwald bei Uttigen liegen bei den Magazinen und teilweise auch auf den Verbindungsstrecken noch recht viele Gleise und Weichen. In der südlichen, öffentlichen Unterführung in Thun liegen noch Gleise während die Schienen in der nördlichen, betriebseigenen Unterführung abgebaut wurden. Weitere Kunstbauten waren nicht vorhanden.

Bahnwandern 2012

Grosse Teile der Strecke lassen sich zu Fuss oder mit dem Velo besichtigen. (Uttigerstrasse, Aaredamm und Auwald).

Allgemeine Daten

Betriebsaufnahme interne Strecke               1917   1)
                        Uttiger Strecke               1924   1)
Betriebseinstellung               1996
Streckenabbruch ab 2000, Teilstrecken noch erhalten
Streckenlänge               5,6  km     #
Spurweite               750  mm
Grösste Neigung     (Unterführung Süd)                80  0/00   #
Tiefster Punkt      (Auwald bei Uttigen)               546  m.ü.M.
Höchster Punkt  (Thun Allmendstrasse)               558  m.ü.M.
Anzahl Weichen                 46          #
Kupplungssystem    Halbautomatisch  (wie Janney
Betriebsart                 Diesel
V max                 30  km/h
Maximale Fahrzeugbreite                140  cm
Anstrich:   Lok     Rahmen grau, Aufbauten rot
               Wagen   grau (Personenwagenkasten rot)

1)  Diese Daten konnten von niemandem sicher bestätigt werden.
#)  Diese Daten basieren auf persönlichen Recherchen sowie Angaben eines Werkbahnführers

Rollmaterial

Lok

Typ Nr. Baujahr Lieferfirmen Länge Gewicht Leistung Bemerkungen
   m     t     PS
Ta  1 – 2  1917 SWS / MFO    *     *      * Akkulok    1)
Tm    3  1933 Raco RA7  3,80     *     45 an Bahnmuseum Kerzers
Tm    4  1973 Schöma CFL 60 DZ  4,50     7     60 an Bahnmuseum Kerzers

1) Im Einsatz bei Frutiger & Söhne Bauunternehmung Uetendorf. Abbruch 1979.

Wagen

Alle Wagen waren zweiachsig und ohne Bremsen.

Typ Nr. Baujahr Lieferfirma Länge Tara Ladegewicht Bemerkungen
   m   t t
Flachwagen   1 – 9     *     SIG   3,1   1    3 an BMK   1)
Flachwagen  11 – 26     *     SIG   3,1   1    3 an BMK   1)
Flachwagen  28 – 32     *     SIG   3,1   1    3 Abbruch  1)
Personenwagen     10     * SIG/EMFT   3,1   *    — an BMK   2)
Schneepflug     27 */1981 SIG/EMFT    *   *    — an BMK
Schotterwagen   ohne */1976 SIG/EMFT   3,3   *    * an BMK

1) Beim Bahnmuseum Kerzers sind die Flachwagen Nr. 4, 23, 24, vier Wagen gingen an die WB, zwei weitere an einen privaten Abnehmer, Rest abgebrochen.
2) Der auf einen Flachwagen aufgebaute Holzkasten bot Platz für 6 Personen.

Bilder aus der Betriebszeit

Die beim Textanfang angegebene Nummer zeigt auf der Streckenskizze den ungefähren Ort des Bildes.

Akkulok

Interne Strecke

Uttigerstrecke

Fotos nach der Betriebseinstellung (Spurensuche 2011/12)

Die beim Textanfang angegebene Nummer zeigt auf der Streckenskizze den ungefähren Ort des Bildes.

Die interne Strecke

Die Uttigerstrecke
Streckenteil bis zum Gleisdreieck

Magazinstrecke Ost

Magazinstrecke Mitte

Magazinstrecke West

 

Publikumsfahrten am Tag der offenen Tür EMFT 1981

Rollmaterial das bei andern Bahnen oder Museen erhalten blieb.

 

 

 

Bei meiner Recherche konnte ich auf Unterstützung folgender Personen und Dienststellen zählen:

Robert Mathis, Leiter RUAG Ammotec AG
Ernst Bühler, Werkbahnführer EMFT
Alfred Tschanz Werkbahnführer EMFT
Fritz Egger, Munitionsausstellung RUAG Ammotec AG
armasuisse / Immobilien, Dienststelle Thun