Rechtsufrige Thunerseebahn (STI)

Strecke: Thun Bhf – Interlaken West Bhf  /  Thun Bhf – Steffisburg

Auf der Ausweiche Glockenthal.   1958                                                                                    Foto  P. Willen

Hier liegt die Strecke

Thun liegt 29 km südlich von Bern

Geschichte

Während das linke Thunerseeufer bereits 1893 eine durchgehende Bahnverbindung erhielt, blieb man am Sonnenufer auf die spärlichen Schiffskurse angewiesen. Die Ortschaften zwischen Thun und Beatenbucht genossen die Gunst der Feriengäste und von Familien die sich in traumhafter Lage über dem See niederlassen wollten. Hotels und Wohnhäuser schossen wie Pilze aus dem Boden. Jetzt musste dringend ein schnelleres Verkehrsmittel her.
Hoteliers am See ergriffen die Initiative für einen Autobusbetrieb ab Thun bis Oberhofen. 1905 wurde für zwei Monate ein Probebetrieb durchgeführt der sich jedoch nicht bewährte. Die Technik war noch zu unausgereift.
Im Vordergrund stand nun der Bau einer Strassenbahn von Thun bis Beatenbucht. Namhafte Geldgeber waren jedoch der Ansicht dass die Bahn bis Interlaken verkehren sollte, um die beiden Fremdenorte miteinander zu verbinden.

1913 konnte als erste Etappe der Trambetrieb auf der Strecke Steffisburg – Thun – Beatenbucht eröffnet werden. Die schwierige «Bergstrecke» Beatenbucht – Interlaken folgte 1914. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges mit den ausbleibenden Touristen war für das junge Unternehmen ein harter Schlag.
Die Strassenbahn mit ihrem dichten Fahrplan genügte ihren Fahrgästen vollauf, die Frequenzen waren zwischen Steffisburg und Beatenbucht gut und bei sparsamer Betriebsführung die Rechnung ausgeglichen. Die Strecke Beatenbucht – Interlaken war leider schlecht frequentiert und musste in der Folge bereits 1939 auf Busbetrieb umgestellt werden.
Wie auch bei andern Strassenbahnbetrieben war der Hauptfeind der stetig zunehmende Individualverkehr. Die Bahn wurde zum Hindernis. 1952 wurde die Strecke am Thunersee auf Trolleybus umgestellt und 1958 folgte die Strecke nach Steffisburg.

Eine kleine Anmerkung zu den Initialen: Diese lauten richtigerweise STI. Trotzdem benutzte die Unternehmung bis weit über die Betriebsumstellung hinaus die Initialen STJ. So war auch das gesamte Rollmaterial angeschrieben, soweit der Name nicht voll ausgeschrieben war.

Streckenführung

Ausgangspunkt der STI war der Bahnhofplatz Thun. Die Strecke führte nun Richtung Altstadt. Nach der Bahnhofbrücke verzweigte sie sich in Richtung See sowie Steffisburg. Letztere Strecke ging via Bälliz – Kuhbrücke – Berntor – Steffisburgstrasse bis Steffisburg-Dorf in der Nähe der Kirche. Beim Sternenplatz war die Abzweigung zum Tramdepot an der Grabenstrasse im Schwäbis.

Die Seelinie führte vom Bahnhof Thun ebenfalls über die Bahnhofbrücke jedoch auf separatem Gleis. Ueber die Sinnebrücke und via Lauitor kam das Tram zum See und folgte diesem, mal näher, mal etwas entfernter. Bei den Schiffstationen gab es auch immer ein Tramhalt so dass der Wechsel vom einen zum andern Verkekhrsmittel problemlos möglich war. In Beatenbucht konnte man auf die Drahtseilbahn nach Beatenberg umsteigen. Hier endete auch ein beträchtlicher Teil der Tramkurse. Nach Beatenbucht begann die «Bergstrecke» mit starken Steigungen und den fünf Tunneln durch die Felsen bei den Beatushöhlen mit dem atemberaubenden Blick auf den tiefer liegenden See. Anschliessend ging die Fahrt über Sundlauenen und durch die Ebene nach Unterseen und gleich darauf war man in Interlaken West wo sich die Endstation zwischen den Gleisen der BLS und der Schiffstation befand. An Kunstbauten wies die Bahn mehrere bahnfremde Brücken und Tunnels auf. Die ganze Bahnanlage war einspurig.

Die Fahrzeit Thun – Interlaken betrug 75 Minuten.

Streckenskizze                                                                   Google Earth

Streckenverlauf im Stadtgebiet von Thun.                                                        map.search.ch

Was blieb erhalten? Stand 2007

Die reine Strassenbahn hinterliess weder Gleis- noch Trasseespuren, was nicht heissen will dass nicht noch irgendwo unter dem Strassenbelag….
In Thun Bhf finden wir das noch heute im Dienst stehende Stationsgebäude mit Billetschalter der STI.

Allgemeine Daten

Betriebsaufnahme Strecke:
Steffisburg – Thun – Beatenbucht 24.12.1913
Beatenbucht – Intelaken West 20.06.1914
Betriebseinstellung Strecke:
Beatenbucht – Intelaken West 18.12.1939
Thun – Beatenbucht 31.01.1952
Thun – Steffisburg 31.05.1958
Streckenabbruch anschliessend
Ersatzbetrieb Trolleybus / Bus
Streckenlänge 25,8 km
Strassenstrecken 25,8 km
Spurweite 1000 mm
Kleinster Kurvenradius 20 m
Grösste Neigung 74 0/00
Anzahl Weichen 48
Anzahl Stationen und Haltestellen 26
Tiefste Station (Thun Bhf) 560 m.ü.M.
Höchste Station (Beatushöhlen) 622 m.ü.M.
Depot / Werkstätte Thun
Anzahl Tunnel 5 (bahnfremde)
Anzahl Brücken  (über 2 m Länge)  —- (eigene)
Betriebsart Elektrisch
Elektrischer Betrieb ab Eröffnung
Stromsystem Gleichstrom
Spannung 1100 V
Personalbestand 1950 75
Beförderte Personen 1914 502 880
Beförderte Personen 1950 1 435 468
Beförderte Güter 1914 1 743 t
Beförderte Güter 1950 5 324 t
Anzahl Zugspaare 1914 18
Kupplungssystem Trompete
Bremssystem elektr. Bremse / Handbremse
Stromabnehmer Panto
Fahrzeugbreite 2,20 m
Anstrich der Personenfahrzeuge hellgelb / weiss
Höchstgeschwindigkeit 35 km/h

Rollmaterial bei Betriebseinstellung

Triebfahrzeuge

Typ Nr. Baujahr Lieferfirmen Länge Gewicht Leistung Plätze Bemerkungen
  m      t     PS
Ce 2/2  1 – 2   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1958  Abbruch
Ce 2/2  3 – 4   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1953  Innsbruck
Ce 2/2   3 II   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1958  Abbruch
Ce 2/2   4 II   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1958  Abbruch
Ce 2/2    5   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1958  Abbruch
Ce 2/2    6   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1953  Innsbruck
Ce 2/2   6 II   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1958  Abbruch
Ce 2/2    7   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1958  Abbruch
Ce 2/2    8   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1952  Abbruch
Ce 2/2   10   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1953  Innsbruck
Ce 2/2   12   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1953  Innsbruck
Ce 2/2   14   1913 Credé/SSW  9,00     12     90   18 1953  Innsbruck
Xe 2/4  101   1913 SWS/SSW  8,30     13     90   — 1952  an FRT

Personenwagen

Typ Nr. Baujahr Lieferfirmen Länge Gewicht Plätze Bemerkungen
   m      t
C   31 – 32   1913     Credé   8,60      7   24 1953  Innsbruck
C      33   1913     Credé   8,60      7   24 1958  Abbruch
C      34   1913     Credé   8,60      7   24 1953  Innsbruck
C    52 -54   1913     Credé   8,54      6   24 1953  Innsbruck
C   41 – 43   1920      SWS   8,80      5   24 1953  an TB
C   35 – 39   1921     Credé   8,90      7   24 1959  an TB
FZ   91 – 92   1914     Credé   8,00      6   — 1952  an Privat
Z   1)  111 – 112   1914       STI   2,90      1   — 1952  an Privat

1) Einachs-Postanhänger.

Güterwagen

Typ Nr. Baujahr Lieferfirmen Länge Gewicht Ladegewicht Bemerkungen
   m      t   t
K   71    1913     Credé   6,00      4       7,5 1958  Abbruch
K   72    1913     Credé   6,00      4       7,5 1956  an FO
K   73  1913/41   Credé/STI   8,54      6       7,5 1952  Abbruch
L   81    1913     Credé   5,40      3       7,5 1955 an VZ
L   82   1913     Credé   5,40      3       7,5 1955  an FO
M   61    1882    SIG/STI   5,40      2       1,5 1958  Abbruch
M   62    1882    SIG/STI   5,40      2       1,5 1952  an Privat
M   63    1882    SIG/STI   5,40      2       1,5 1952  an Privat
X   2)  102    1882    SIG/STI   6,15      3         1 1953  an BA

2) Fahrleitungs-Montagewagen.

Stationen und Haltestellen

Name Bahn km Höhe m.ü.M. HG NG
Steffisburg 3,3 599 2
Glockenthal 1,6 573 2
Thun Bahnhof 0,0 560 4 3
Kursaal 1,1 564 2
Hünibach 2,4 572 2
Oberhofen Rieder 5,2 575 2
Gunten 8,2 567 2 1
Merligen 11,5 568 2
Beatenbucht 13,4 568 2
Nastel 14,4 616 2
Beatushöhlen 16,6 622 2
Sundlauenen 17,8 612 2
Neuhaus 20,2 566 2
Widimatte 21,2 572 2
Interlaken West Bhf 22,7 564 2 1

Weitere Haltestellen waren: Thun Lauitor, Hilterfingen, Oberhofen Ländte, Dorf, Längenschachen, Oertlibach, Stampach, Ralligen, Merligen Vorderdorf, Manorfarm, Unterseen Bären.
HG = Hauptgleise, NG = Nebengleise

Bilder aus der Betriebszeit

Strecke Thun Bhf – Interlaken West

 

 

Strecke Thun Bhf – Steffisburg

Ausschnitt aus dem Kursbuch 1915

Rollmaterial

Fotos nach der Betriebseinstellung (Spurensuche 2009)

 

 

 

Literatur

Elektrische Traktion am rechten Thunerseeufer, Prellbock Verlag
Erinnerungen an die Rechtsufrige Thunersee Bahn, Jeanmaire Verlag
Schweiz. Eisenbahnstatistik 1914, Amt für Verkehr
Schweiz. Verkehrsstatistik 1950, Amt für Verkehr
Schienennetz Schweiz, AS Verlag
Aufgehobene Bahnen in der Schweiz, VRS Verlag