Ferrovie Autolinee Regionali Ticinesi (FART/LPB)

Strecke: (Locarno) – Ponte Brolla – Bignasco

Bignasco mit dem ABDe 4/4 Nr. 2  1965             Foto P. Sutter, Archiv Tramclub Basel

 

Hier liegt die Strecke

S. Antonio ist ein Vorort von Locarno und liegt an der Strecke nach Domodossola.

Geschichte

Die Schmalspurbahn ins Maggiatal wurde 1907 unter dem Namen Ferrovia Locarno – Ponte Brolla – Bignasco LPB, in Betrieb genommen. Sie brachte den Bewohnern des zweitlängsten Tessiner Tales eine komfortable Verbindung nach Locarno.

Die LPB war die erste Bahn die mit Einphasen-Wechselstrom betrieben wurde. Zudem war sie als einzige Schweizer Bahn mit der Seitenfahrleitung nach System MFO ausgerüstet.

1923 wurde die Centovallibahn zwischen Locarno und dem italienischen Domodossola eröffnet. Den schweizerischen Streckenteil betrieb die Ferrovie Regionali Ticinesi FRT. Diese Bahn benutzte zwischen Locarno und Ponte Brolla die Gleise der LPB. Da die neue Bahn mit Gleichstrom 1200 V betrieben wurde musste die LPB ihr Stromsystem anpassen. Zudem wurde die Fahrleitung auf der gemeinsamen Strecke auf die klassische Mittelfahrleitung umgerüstet. Die Triebwagen der LPB benutzten fortan zwischen Locarno und Ponte Brolla den Pantographen und zwischen Ponte Brolla und Bignasco die beiden Seitenruten. Als nach dem zweiten Weltkrieg die LPB ein Gesuch um finanzielle Hilfe an den Bund richtete, verlangte dieser vorgängig eine Fusion mit der Centovallibahn. 1952 fusionierten die beiden Bahnen und die LPB kam zur FRT. Kurz vor der Betriebseinstellung der Maggiatalbahn wurde ihre Bezeichnung in FART Ferrovie Autolinee Regionali Ticinesi geändert.

Die Erwartungen der Bahngründer erfüllten sich nicht. Das schwach bevölkerte, relativ arme Tal mit dem noch schwachen Tourismus konnte die erwarteten Frequenzen nicht erbringen. Der Güterverkehr der zur Hauptsache durch Granitsteintransporte aus den vielen Steinbrüchen zur Normalspurbahn bestand, liess sich anfänglich gut an. Die Spezialtarife für diese Massentransporte konnten jedoch den Ertrag nicht wesentlich steigern. Mit der fortlaufenden Verlagerung auf den Strassentransport gingen jedoch selbst diese Einnahmen drastisch zurück. Während die FRT Gleis und Rollmaterial der Centovallibahn laufend modernisierte, liess sie der Maggiatalbahn keine Mittel zur Erneuerung zufliessen. So kam es dass die veraltete Bahn gegen den Willen der Bevölkerung 1965 durch Beschluss des Kanton Tessin eingestellt wurde und an ihre Stelle ein Busbetrieb trat. Die Fahrt durch das schroffe, landschaftlich einzigartige Tal war ein besonderes Erlebnis.

Streckenführung

Der ursprüngliche Ausgangspunkt der Maggiatalbahn war im ersten Betriebsjahr Locarno S. Antonio. 1908, als die Locarneser Trambahn eröffnet wurde, konnte die LPB dann über deren Gleise bis zum Bahnhof Locarno SBB vordringen. Dabei wurden die engen Altstadtgassen und die Piazza Grande durchquert. Südlich des SBB Empfangsgebäudes wurde für die LPB eine zweigleisige Stationsanlage erstellt.

Ab S. Antonio gelangte die Strecke über Solduno gegen die Maggia und folgte dieser oberhalb der Hauptstrasse nach Ponte Brolla. Gleich nach der Maggiabrücke in Ponte Brolla drehte die Strecke mit einer engen Rechtskurve ins Maggiatal und trennte sich von der später erbauten Strecke Richtung Domodossola. Vorbei am eigenen Stationsgebäude und durch einen kleinen Tunnel gelangte der Zug auf die zweite Maggiabrücke. An der linken Talseite, und parallel zur Strasse zog die Strecke talaufwärts und bediente die hier liegenden Dörfer. Kurz nach der zweiten Maggiabrücke befand sich auch der Systemwechsel von der Mittel- zur Seitenfahrleitung. In Visletto wechselte die Bahn mit einer längern Metallbrücke über die Maggia auf die rechte Talseite. In diesem Mittelteil sind die noch heute betriebenen Granitbrüche. In mässiger Steigung führte das Gleis nun mitten im Talboden zur Endstation Bignasco. Hier gab es eine Remise und ein kleines hölzernes Stationsgebäude.

Die Fahrzeit betrug 74 Minuten.

Streckenskizze                                                                     Google Earth

Was blieb erhalten? Stand 2008

Wie schon erwähnt wird die Strecke Locarno SBB – Ponte Brolla weiterhin durch die Centovallibahn befahren (zum Teil mit neuer unterirdischer Linienführung im Stadtbereich). Teilstücke des alten Trassee zwischen Ponte Brolla und Bignasco sind noch sichtbar, vereinzelt auch als Velo- und Wanderwege umgenutzt, oder in Umfahungsstrassen aufgegangen. Ebenfalls noch vorhanden sind die beiden Metallbrücken über die Maggia, kleinere Viadukte und die Tunnel. Auch einige Stationsgebäude haben die Bahneinstellung überlebt. In der Endstation Bignasco allerdings erinnert nichts mehr an die Bahnzeit.

Bahnwandern 2008

Auch hier bei der Maggiatalbahn gilt was schon bei der BA gesagt wurde. Grosse Teile der Bahnstrecke wurden zu Umfahrungsstrassen umgebaut. Dazwischen gibt es jedoch einige Abschnitte die eine Trasseewanderung durchaus lohnenswert machen. Ich möchte hier das Teilstück zwischen Someo und Riveo erwähnen wo das Trassee leicht oberhalb der Talstrasse verläuft und noch nicht zum Veloweg ausgebaut wurde.
Ab der Bushaltestelle Someo folgt man einige hundert Meter der Umfahrungsstrasse (ehemaliges LPB Trassee) bis zu einer Autowerkstätte. Nun zweigt rechts das LPB Trassee als schmaler Weg ab und folgt etwas erhöht der Hauptstrasse. Vor Riveo kommt das Trassee wieder auf das Strassenniveau unf folgt dieser bis zur Haltestelle Riveo.

Wanderzeit: 1 Stunde.

Wesentlich angenehmer gestaltet sich natürlich eine Streckenbefahrung zwischen Ponte Brolla und Cevio mit dem Velo, da grosse Trassee-Teilstücke zum Fahrradweg umgebaut wurden (insofern keine Umfahrungsstrassen nötig wurden).

Allgemeine Daten

Betriebsaufnahme Strecke:
Locarno S. Antonio – Bignasco 2.09.1907
Locarno SBB – S. Antonio (über Tramstrecke) 3.07.1908
Fusion mit der FRT 1.01.1952
Betriebseinstellung Strecke:
Ponte Brolla – Bignasco 29.11.1965
Streckenabbruch:
Ponte Brolla – Bignasco anschliessend
Ersatzbetrieb Bus
Streckenänge 29,8 km
Strassenstrecken 2,3 km
Spurweite 1000 mm
Kleinster Kurvenradius 100 m
Grösste Neigung 39 0/00
Anzahl Weichen 36
Anzahl Stationen 12
Tiefste Station (Locarno SBB) 205 m.ü.M.
Höchste Station (Bignasco) 442 m.ü.M.
Depot / Werkstätte S. Antonio
Anzahl Tunnel 4
Anzahl Brücken  (über 2 m Länge) 25
Betriebsart Elektrisch
Elektrischer Betrieb ab Eröffnung
Stromsystem 1907 – 1923 Wechselstrom, 26 Hz
Spannung 5000 V (800 V auf Tramstrecke)
Aenderung Stromsystem 1923
Stromsystem ab 1923 Gleichstrom
Spannung 1200 V
Personalbestand 36
Beförderte Personen 1908 196 203
Beförderte Personen 1950 231 008
Beförderte Güter 1908 11 209 t
Beförderte Güter 1950 39 196 t
Anzahl Zugspaare 6
Kupplungssystem ZP 2
Bremssystem elektr. Bremse / Druckluft
Stromabnehmer Seitenruten und Panto
Fahrzeugbreite 2,70 m
Anstrich der Personenfahrzeuge blau / weiss
Höchstgeschwindigkeit 45 km/h

Rollmaterial das bei der Fusion mit der FRT 1952 vorhanden war

Triebfahrzeuge

Typ Nr. Baujahr Lieferfirmen Länge Gewicht Leistung Plätze Bemerkungen
   m     t    PS  1. / 2. Kl.
BCFe 4/4   1   1906  MAN/MFO  16,00    30    244 12 / 32  1952  an FRT
BCFe 4/4   2   1906  MAN/MFO  16,00    30    244 12 / 32  1952  an FRT
BCFe 4/4   3   1906  MAN/MFO  16,00    30    244 12 / 32  1952  an FRT

Personenwagen

Typ Nr. Baujahr Lieferfirmen Länge Gewicht Plätze Bemerkungen
   m     t     2. Klasse
C   51   1907     MAN  10,10     8    40  1952  an FRT
C   52   1907     MAN  10,10     8    40  1952  an FRT
CZ   71   1912     SWS  10,03     7    16  1952  an FRT

Güterwagen

Typ Nr. Baujahr Lieferfirmen Länge Gewicht    Ladegewicht Bemerkungen
   m     t  t
K 101-104   1907   Rastatt   7,00     6     10  1952  an FRT
M 121-124   1907   Rastatt   7,00     5     10  1952  an FRT
M 141-144   1907   Rastatt   7,00     5     10  1952  an FRT
M 145-146   1910     SWS   8,00     5     10  1952  an FRT
N 161-164   1907   Rastatt   7,00     5     10  1952  an FRT

Während die Triebwagen infolge Ihrer Ausrüstung mit Ruten für die Seitenfahrleitung ausschliesslich im Maggiatal im Einsatz standen, wurden die Wagen nach der Fusion 1952 mit der FRT freizügig verwendet.

Stationen und Haltestellen

Name Bahn km Höhe m.ü.M.  HG  NG  Depot   Remise
S. Antonio     1)       0,0       217   4   5   1   1
Ponte Brolla       3,5       258   2   1   1
Avegno       6,3       296   2
Gordevio       8,7       315   2
Ronchini      10,4       307   1
Aurigeno-Moghegno      11,6       321   1   1
Maggia      12,5       330   2   1
Lodano      14,9       344   2
Coglio-Giumaglio      16,1       353   1   1
Someo      18,6       372   2
Riveo      21,7       394   2   2
Cevio      24,6       419   2
Cevio Ospedale      25,4       423   1
Bignasco      27,1       442   2   3   1

1)  Die Station S. Antonio blieb für die Centovallibahn bis zur Eröffnung der Tunnelstrecke weiterhin in Betrieb!
Die Strecke S. Antonio – Ponte Brolla blieb erhalten. Sie wird weiterhin durch die Centovallibahn benutzt. Die Kilometrierung der LPB begann an ihrem ursprüglichen Ausgangspunkt in S. Antonio.
HG = Hauptgleise, NG = Nebengleise

Stationsskizzen

Bilder aus der Betriebszeit

Ausschnitt aus dem Kursbuch 1965

 

Fotos nach der Betriebseinstellung (Spurensuche 2008)

 

 

 

Literatur

Die Bahn von Locarno nach Domodossola, trelingue Verlag
Elektrische Bahn Locarno – Bignasco, Prellbock Verlag
Schweiz. Eisenbahnstatistik, Amt für Verkehr
Schweiz. Verkehrsstatistik, Amt für Verkehr
Schienennetz Schweiz, AS Verlag
Aufgehobene Bahnen in der Schweiz, VRS Verlag