Strecke: (Locarno) – Ponte Brolla – Bignasco
Hier liegt die Strecke
Geschichte
Die Schmalspurbahn ins Maggiatal wurde 1907 unter dem Namen Ferrovia Locarno – Ponte Brolla – Bignasco LPB, in Betrieb genommen. Sie brachte den Bewohnern des zweitlängsten Tessiner Tales eine komfortable Verbindung nach Locarno.
Die LPB war die erste Bahn die mit Einphasen-Wechselstrom betrieben wurde. Zudem war sie als einzige Schweizer Bahn mit der Seitenfahrleitung nach System MFO ausgerüstet.
1923 wurde die Centovallibahn zwischen Locarno und dem italienischen Domodossola eröffnet. Den schweizerischen Streckenteil betrieb die Ferrovie Regionali Ticinesi FRT. Diese Bahn benutzte zwischen Locarno und Ponte Brolla die Gleise der LPB. Da die neue Bahn mit Gleichstrom 1200 V betrieben wurde musste die LPB ihr Stromsystem anpassen. Zudem wurde die Fahrleitung auf der gemeinsamen Strecke auf die klassische Mittelfahrleitung umgerüstet. Die Triebwagen der LPB benutzten fortan zwischen Locarno und Ponte Brolla den Pantographen und zwischen Ponte Brolla und Bignasco die beiden Seitenruten. Als nach dem zweiten Weltkrieg die LPB ein Gesuch um finanzielle Hilfe an den Bund richtete, verlangte dieser vorgängig eine Fusion mit der Centovallibahn. 1952 fusionierten die beiden Bahnen und die LPB kam zur FRT. Kurz vor der Betriebseinstellung der Maggiatalbahn wurde ihre Bezeichnung in FART Ferrovie Autolinee Regionali Ticinesi geändert.
Die Erwartungen der Bahngründer erfüllten sich nicht. Das schwach bevölkerte, relativ arme Tal mit dem noch schwachen Tourismus konnte die erwarteten Frequenzen nicht erbringen. Der Güterverkehr der zur Hauptsache durch Granitsteintransporte aus den vielen Steinbrüchen zur Normalspurbahn bestand, liess sich anfänglich gut an. Die Spezialtarife für diese Massentransporte konnten jedoch den Ertrag nicht wesentlich steigern. Mit der fortlaufenden Verlagerung auf den Strassentransport gingen jedoch selbst diese Einnahmen drastisch zurück. Während die FRT Gleis und Rollmaterial der Centovallibahn laufend modernisierte, liess sie der Maggiatalbahn keine Mittel zur Erneuerung zufliessen. So kam es dass die veraltete Bahn gegen den Willen der Bevölkerung 1965 durch Beschluss des Kanton Tessin eingestellt wurde und an ihre Stelle ein Busbetrieb trat. Die Fahrt durch das schroffe, landschaftlich einzigartige Tal war ein besonderes Erlebnis.
Streckenführung
Der ursprüngliche Ausgangspunkt der Maggiatalbahn war im ersten Betriebsjahr Locarno S. Antonio. 1908, als die Locarneser Trambahn eröffnet wurde, konnte die LPB dann über deren Gleise bis zum Bahnhof Locarno SBB vordringen. Dabei wurden die engen Altstadtgassen und die Piazza Grande durchquert. Südlich des SBB Empfangsgebäudes wurde für die LPB eine zweigleisige Stationsanlage erstellt.
Ab S. Antonio gelangte die Strecke über Solduno gegen die Maggia und folgte dieser oberhalb der Hauptstrasse nach Ponte Brolla. Gleich nach der Maggiabrücke in Ponte Brolla drehte die Strecke mit einer engen Rechtskurve ins Maggiatal und trennte sich von der später erbauten Strecke Richtung Domodossola. Vorbei am eigenen Stationsgebäude und durch einen kleinen Tunnel gelangte der Zug auf die zweite Maggiabrücke. An der linken Talseite, und parallel zur Strasse zog die Strecke talaufwärts und bediente die hier liegenden Dörfer. Kurz nach der zweiten Maggiabrücke befand sich auch der Systemwechsel von der Mittel- zur Seitenfahrleitung. In Visletto wechselte die Bahn mit einer längern Metallbrücke über die Maggia auf die rechte Talseite. In diesem Mittelteil sind die noch heute betriebenen Granitbrüche. In mässiger Steigung führte das Gleis nun mitten im Talboden zur Endstation Bignasco. Hier gab es eine Remise und ein kleines hölzernes Stationsgebäude.
Die Fahrzeit betrug 74 Minuten.
Was blieb erhalten? Stand 2008
Wie schon erwähnt wird die Strecke Locarno SBB – Ponte Brolla weiterhin durch die Centovallibahn befahren (zum Teil mit neuer unterirdischer Linienführung im Stadtbereich). Teilstücke des alten Trassee zwischen Ponte Brolla und Bignasco sind noch sichtbar, vereinzelt auch als Velo- und Wanderwege umgenutzt, oder in Umfahungsstrassen aufgegangen. Ebenfalls noch vorhanden sind die beiden Metallbrücken über die Maggia, kleinere Viadukte und die Tunnel. Auch einige Stationsgebäude haben die Bahneinstellung überlebt. In der Endstation Bignasco allerdings erinnert nichts mehr an die Bahnzeit.
Bahnwandern 2008
Auch hier bei der Maggiatalbahn gilt was schon bei der BA gesagt wurde. Grosse Teile der Bahnstrecke wurden zu Umfahrungsstrassen umgebaut. Dazwischen gibt es jedoch einige Abschnitte die eine Trasseewanderung durchaus lohnenswert machen. Ich möchte hier das Teilstück zwischen Someo und Riveo erwähnen wo das Trassee leicht oberhalb der Talstrasse verläuft und noch nicht zum Veloweg ausgebaut wurde.
Ab der Bushaltestelle Someo folgt man einige hundert Meter der Umfahrungsstrasse (ehemaliges LPB Trassee) bis zu einer Autowerkstätte. Nun zweigt rechts das LPB Trassee als schmaler Weg ab und folgt etwas erhöht der Hauptstrasse. Vor Riveo kommt das Trassee wieder auf das Strassenniveau unf folgt dieser bis zur Haltestelle Riveo.
Wanderzeit: 1 Stunde.
Wesentlich angenehmer gestaltet sich natürlich eine Streckenbefahrung zwischen Ponte Brolla und Cevio mit dem Velo, da grosse Trassee-Teilstücke zum Fahrradweg umgebaut wurden (insofern keine Umfahrungsstrassen nötig wurden).
Allgemeine Daten
Betriebsaufnahme Strecke: | |
Locarno S. Antonio – Bignasco | 2.09.1907 |
Locarno SBB – S. Antonio (über Tramstrecke) | 3.07.1908 |
Fusion mit der FRT | 1.01.1952 |
Betriebseinstellung Strecke: | |
Ponte Brolla – Bignasco | 29.11.1965 |
Streckenabbruch: | |
Ponte Brolla – Bignasco | anschliessend |
Ersatzbetrieb | Bus |
Streckenänge | 29,8 km |
Strassenstrecken | 2,3 km |
Spurweite | 1000 mm |
Kleinster Kurvenradius | 100 m |
Grösste Neigung | 39 0/00 |
Anzahl Weichen | 36 |
Anzahl Stationen | 12 |
Tiefste Station (Locarno SBB) | 205 m.ü.M. |
Höchste Station (Bignasco) | 442 m.ü.M. |
Depot / Werkstätte | S. Antonio |
Anzahl Tunnel | 4 |
Anzahl Brücken (über 2 m Länge) | 25 |
Betriebsart | Elektrisch |
Elektrischer Betrieb ab | Eröffnung |
Stromsystem 1907 – 1923 | Wechselstrom, 26 Hz |
Spannung | 5000 V (800 V auf Tramstrecke) |
Aenderung Stromsystem | 1923 |
Stromsystem ab 1923 | Gleichstrom |
Spannung | 1200 V |
Personalbestand | 36 |
Beförderte Personen 1908 | 196 203 |
Beförderte Personen 1950 | 231 008 |
Beförderte Güter 1908 | 11 209 t |
Beförderte Güter 1950 | 39 196 t |
Anzahl Zugspaare | 6 |
Kupplungssystem | ZP 2 |
Bremssystem | elektr. Bremse / Druckluft |
Stromabnehmer | Seitenruten und Panto |
Fahrzeugbreite | 2,70 m |
Anstrich der Personenfahrzeuge | blau / weiss |
Höchstgeschwindigkeit | 45 km/h |
Rollmaterial das bei der Fusion mit der FRT 1952 vorhanden war
Triebfahrzeuge
Typ | Nr. | Baujahr | Lieferfirmen | Länge | Gewicht | Leistung | Plätze | Bemerkungen |
m | t | PS | 1. / 2. Kl. | |||||
BCFe 4/4 | 1 | 1906 | MAN/MFO | 16,00 | 30 | 244 | 12 / 32 | 1952 an FRT |
BCFe 4/4 | 2 | 1906 | MAN/MFO | 16,00 | 30 | 244 | 12 / 32 | 1952 an FRT |
BCFe 4/4 | 3 | 1906 | MAN/MFO | 16,00 | 30 | 244 | 12 / 32 | 1952 an FRT |
Personenwagen
Typ | Nr. | Baujahr | Lieferfirmen | Länge | Gewicht | Plätze | Bemerkungen |
m | t | 2. Klasse | |||||
C | 51 | 1907 | MAN | 10,10 | 8 | 40 | 1952 an FRT |
C | 52 | 1907 | MAN | 10,10 | 8 | 40 | 1952 an FRT |
CZ | 71 | 1912 | SWS | 10,03 | 7 | 16 | 1952 an FRT |
Güterwagen
Typ | Nr. | Baujahr | Lieferfirmen | Länge | Gewicht | Ladegewicht | Bemerkungen |
m | t | t | |||||
K | 101-104 | 1907 | Rastatt | 7,00 | 6 | 10 | 1952 an FRT |
M | 121-124 | 1907 | Rastatt | 7,00 | 5 | 10 | 1952 an FRT |
M | 141-144 | 1907 | Rastatt | 7,00 | 5 | 10 | 1952 an FRT |
M | 145-146 | 1910 | SWS | 8,00 | 5 | 10 | 1952 an FRT |
N | 161-164 | 1907 | Rastatt | 7,00 | 5 | 10 | 1952 an FRT |
Während die Triebwagen infolge Ihrer Ausrüstung mit Ruten für die Seitenfahrleitung ausschliesslich im Maggiatal im Einsatz standen, wurden die Wagen nach der Fusion 1952 mit der FRT freizügig verwendet.
Stationen und Haltestellen
Name | Bahn km | Höhe m.ü.M. | HG | NG | Depot | Remise |
S. Antonio 1) | 0,0 | 217 | 4 | 5 | 1 | 1 |
Ponte Brolla | 3,5 | 258 | 2 | 1 | 1 | |
Avegno | 6,3 | 296 | 2 | |||
Gordevio | 8,7 | 315 | 2 | |||
Ronchini | 10,4 | 307 | 1 | |||
Aurigeno-Moghegno | 11,6 | 321 | 1 | 1 | ||
Maggia | 12,5 | 330 | 2 | 1 | ||
Lodano | 14,9 | 344 | 2 | |||
Coglio-Giumaglio | 16,1 | 353 | 1 | 1 | ||
Someo | 18,6 | 372 | 2 | |||
Riveo | 21,7 | 394 | 2 | 2 | ||
Cevio | 24,6 | 419 | 2 | |||
Cevio Ospedale | 25,4 | 423 | 1 | |||
Bignasco | 27,1 | 442 | 2 | 3 | 1 |
1) Die Station S. Antonio blieb für die Centovallibahn bis zur Eröffnung der Tunnelstrecke weiterhin in Betrieb!
Die Strecke S. Antonio – Ponte Brolla blieb erhalten. Sie wird weiterhin durch die Centovallibahn benutzt. Die Kilometrierung der LPB begann an ihrem ursprüglichen Ausgangspunkt in S. Antonio.
HG = Hauptgleise, NG = Nebengleise
Bilder aus der Betriebszeit
Fotos nach der Betriebseinstellung (Spurensuche 2008)
Literatur
Die Bahn von Locarno nach Domodossola, trelingue Verlag
Elektrische Bahn Locarno – Bignasco, Prellbock Verlag
Schweiz. Eisenbahnstatistik, Amt für Verkehr
Schweiz. Verkehrsstatistik, Amt für Verkehr
Schienennetz Schweiz, AS Verlag
Aufgehobene Bahnen in der Schweiz, VRS Verlag